Müritz-Bügeln 2023
Über das lange Himmelfahrtswochenende trafen wir uns auf Einladung von Hans zu einem grandiosen Segelevent auf dem Campingplatz Gotthun am Müritz-Westufer, das den Teilnehmenden sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben wird. Vier Schiffe waren vor Ort (der Gastgeber mit Mona, 1x Hamburg mit Annette und Elmar, 1x Kyritz mit Mara und Semjon und 1x Unterhavel mit Robert und mir) – den verträumt hinter dem Wohnwagen auf seinen Einsatz wartenden Reservekatamaran noch nicht einmal mitgezählt. Wären die spektakulären Bedingungen bekannt gewesen, hätte sich sicherlich auch für ihn noch Crewpersonal gefunden; dem großzügigen Gastgeber hätten wir das wohl aufschwatzen können, und der recht entspannten Campingplatz-Besatzung auch.
Mecklenburg (ohne -V.) hat an seglerischen Superlativen vielleicht nicht allzuviel zu bieten, aber eben immerhin doch diesen größten innerdeutschen See (ja, wirklich! – nur der Bodensee ist größer). Das Gewässer gilt als anspruchsvoll, schon wegen seiner schieren Größe (die Längsausdehnung beträgt stolze 20 km, und in der Breite sind es immerhin knapp zehn), der gefürchteten Wetterwechsel, harten Wellengangs und vielfacher Untiefen. Sturm und Unwetter hatten wir nicht, und die Untiefen waren uns mit unseren 60 cm Rudertiefgang wurscht, wobei wir allerdings den gefühlt einzigen großen Stein in der Anlegereinfahrt durchaus für einige raue Grundkontakte nutzten, die leider einmal auch zu einem Ruderschaden führten. Aber das lag alles nur daran, dass der straffe Ostwind tatsächlich so etwas wie eine Brandung auftürmte, was die Lage am Anleger unübersichtlich machte – normalerweise ist nämlich das Müritzwasser lupenklar und sogar durchaus trinkbar.
Die Angelegenheit startete am Himmelfahrtstag bei Leichtwindbedingungen mit Aufklaren, Basteln, Reparieren und Aussicht genießen. Am Freitag, als die weiteren Mannschaften eingetroffen waren, zog der Wind ab Mittag dann so kräftig an, dass es eine Freude war. Die Klassenfahne knatterte, und die Platznachbarn baten darum, es doch so einzurichten, dass die Fallschäkel keinen Yachthafensound verursachen – für uns war das Plingpling offenbar ein gewohntes Geräusch, aber wir waren ja auf einem Campingplatz. Viel zu sehen und zu hören bekamen die Nachbarn von uns dann ohnehin nicht mehr, weil wir die Boote ins Wasser schoben, und der Spaß konnte losgehen.
Die Situation war müritztypisch: Der See ist riesig, und außer einem selbst ist fast niemand auf dem Wasser, man hat alles für sich. Unser kleines Regattafeld nutzte einige vorhandene Tonnen als Markierungen, und es entsponn sich ein lockeres Training, wobei sich im Verlauf der beiden kommenden Tage durchaus wechselnde Platzierungen ergaben, was für die Qualität der seglerischen Leistungen sprechen mag. (Jedenfalls glauben wir ja alle fest daran, dass es beim Dart immer die Crew ist, die den Unterschied macht – vor allem, wenn man tatsächlich unverhofft mal vorne liegt…). Nach einigen Bojenrunden folgten dann jeweils endlose Schläge hinaus auf‘s Wasser. Elmars Tracking-App vermeldete am Freitag sagenhafte 50 km, die wir auf dem See „herumgebügelt“ waren (O-Ton Robert), und am Samstag waren es dann nochmals 35. Der Wind blies mit der Stetigkeit eines Düsentriebwerks rund 15 kn in die Segel, und wer beim Downwind nach hinten blickte, fragte sich, ob die Klassenvereinigung neuerdings einen Motorantrieb zugelassen hat. Es war einfach alles unglaublich gut. Wenn man die launigen Böen der Unterhavel gewöhnt ist, fühlte man sich wie auf dem Gardasee.
Für mich als Neuling gab es wie immer zahlreiche praktische Erfahrungen mitzunehmen. Zum Beispiel: Seglercamp heißt, dass der Wind nicht aufhört, nur weil wir die Boote an Land geschoben haben und es uns nun gemütlich machen wollen. (Zur Not ersetzt allerdings der Schlafsack die zu Hause gelassene Daunenjacke.) Auch die Einschätzung, dass es Ende Mai nun Sommer ist und der lange 4/5-Neo sicherlich ausreicht, erwies sich als zu optimistisch; die Erfahrenen unter uns hatten zum Glück Reservematerial an Trockenanzügen dabei. Überhaupt war wie immer das Gemeinschaftserlebnis mitreißend und ungemein wohltuend. Vielen Dank an Hans für die Einladung, an Annette für die umsichtige Versorgung und an alle anderen für das tolle Miteinander, meinetwegen hätte es noch tagelang so weitergehen können.
Aber am Sonntag früh hatten wir dann tatsächlich die Müritz glattgebügelt. Still ruhte der See, und wir konnten nach Hause fahren. Und wenn es dann noch den ganzen Tag schaukelte, war das natürlich nicht der Jameson, der nachwirkte, sondern die kurze, steile Müritzwelle. Auf bald – wir kommen wieder!
Alexander von Drenkmann